Ohne Zins und Zinseszins - Nachhaltige Finanzsysteme
Hätten Maria und Josef auf ihrer Flucht nach Ägypten, einen Pfennig zu einem Zinssatz von 4 Prozent angelegt, wäre für ihre Nachkommen daraus im Jahr 1750 über Zins und Zinseszins ein Geldbetrag im Wert von einer Erdkugel aus Gold geworden. Für andere allerdings wäre nicht mehr viel übrig geblieben.
„Diese Geschichte vom sogenannten 'Josefspfennig' zeigt sehr anschaulich die Grundproblematik unseres Geldsystems“, erläutert Prof. Dr. Christian Kreiß von der Hochschule für Wirtschaft und Technik Aalen. „Alle Arten von Zinseszins führen über lange Zeiträume zu explosionsartigem Wachstum, das durch die reale Wirtschaft nicht mehr gedeckt werden kann. Die Konsequenz ist, dass sich Geld und damit Macht in immer weniger Händen konzentrieren.“
Christentum, Judentum und Islam sprechen sich ausdrücklich für ein Zinsverbot aus. Martin Luther hat Zinsnehmer als "schlimmer noch als Mörder und Räuber, schier so böse wie der Teufel selbst“ charakterisiert. Und trotzdem basiert unser reales Wirtschafts- und Finanzsystem genau auf dieser Grundlage von Zins und Zinseszins.
Die Mathematikerin Anna-Lisa Schmalz, der ehemalige Vermögensverwalter Jörn Wiedemann und der IT-Experte Tim Reeves sind Kenner dieses Systems und gerade deshalb davon überzeugt, dass es auf Dauer nicht funktionieren kann.
Seit 2007 arbeiten die drei in München am Aufbau eines alternativen Wirtschaftssystems, der 'Regionalen Wirtschaftsgemeinschaft', kurz ReWIG genannt. Das Ziel der Genossenschaft ist es, konsequent nachhaltig zu wirtschaften und sich trotzdem ökonomisch zu behaupten. Von der Einführung der Komplementärwährung 'Realo' versprechen sich die Initiatoren der ReWIG zudem Unabhängigkeit von nationalen und internationalen Entwicklungen auf den Finanzmärkten und somit größere Widerstandsfähigkeit gegenüber wirtschaftlichen Krisen.
Die ReWIG München bietet ihren mittlerweile über 100 Mitgliedern die Möglichkeit, sich an regionalen, nachhaltig geführten Unternehmen zu beteiligen. Ableger der Genossenschaft formieren sich bereits in Schlehdorf am Kochelsee und im Allgäu. Und es gibt weitere Investoren, die sich für Beteiligungen an nachhaltigen Objekten interessieren.
Anna-Lisa, Jörn, Tim und Lebensformen-Studiogast Prof. Dr. Christian Kreiß sind davon überzeugt, dass sich mit solchen alternativen Wirtschaftssystemen ein menschlicheres, weniger egoistisches Wirtschaften erreichen lässt. Schließlich steht schon in der Bayerischen Verfassung unter Artikel 151: Alle wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.
Studiogast: Prof. Dr. Christian Kreiß, Hochschule für Wirtschaft und Technik Aalen
Filmbeiträge: Oliver Sachs und Hanni Welter
Moderation: Christine Büttner
Redaktion: Heike Springer
Links zur Sendung
Prof. Dr. Christian Kreiß, Hochschule für Wirtschaft und Technik Aalen
NEW MONEY NOW Initiative zur Förderung empathischer und ökonomischer Gemeinschaft
Geldsysteme sind kein Naturgesetz Artikel zum Thema von Herbert Walter im Handelsblatt
Das Wunder von Wörgl Artikel von Wolfgang Uchatius, Zeit-Online
Geld muss rosten Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Werner Onken, geführt von Wolfgang Uchatius, Zeit-Online
Wir könnten auch anders Artikel von Wolfgang Uchatius, Zeit-Online
Buchtipps zur Sendung
Margrit Kennedy und Bernard Lietaer, Regionalwährungen
Helmut Creutz, Das Geldsyndrom
Bernard Lietaer, Das Geld der Zukunft
Georg Zoche, Welt Macht Geld
Filmtipp zur Sendung
Claus Strigel, Der Schein trügt -www.derscheintruegt.com